Bei der Preisgestaltung von Produkten ist es entscheidend, die Zahlungsbereitschaft der Zielkunden möglichst genau zu ermitteln. Kundenbefragungen zur Zahlungsbereitschaft sind allerdings anfällig für Antwortverzerrungen – eine aktuelle wissenschaftliche Studie der Universität Münster liefert Klarheit über die korrekte Befragung zur Zahlungsbereitschaft.
Produkteinführungen scheitern häufig bereits während der Produktentwicklung, denn allzu oft schätzen Verantwortliche die Zahlungsbereitschaften potenzieller KäuferInnen falsch ein. Dies liegt teilweise an mangelnder Kundenbefragung, aber selbst bei erfolgter Kundenbefragung kann die falsche Erhebungsmethodik Pricing-Fehler verursachen. Neueste Erkenntnisse aus einer aktuellen Marketingstudie bestätigen unsere Erfahrungen aus der Beratungspraxis und bieten einen tiefen Einblick in Herausforderungen und Lösungen.
Methoden zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft
Die wert- und kundenorientierte Preissetzung ist die Grundvoraussetzung für den Produkt- und somit auch den Unternehmenserfolg. Um eine optimale Preissetzung zu erreichen, ist es entscheidend, die Zahlungsbereitschaft der Kunden möglichst genau zu ermitteln. Hierbei galt bisher die Conjoint-Analyse, als der Goldstandard der Preisermittlung. Wie wir jedoch bereits in einem früheren Blog-Beitrag aufgezeigt haben, verzeichnen direkte Pricing-Methoden eine um etwa zehn Prozentpunkte genauere Ermittlung der Zahlungsbereitschaft als indirekte Methoden wie die Conjoint-Analyse. Sie stellen somit einen einfachen, kostengünstigen, und präzisen Weg zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft dar.
Direkte Fragen zur Zahlungsbereitschaft lassen sich in offene und geschlossene Fragen unterscheiden:
- Bei offenen Fragen, wie der Van-Westendorp-Methode, geben Befragte einen Maximalbetrag an, für den sie ein Produkt kaufen würden.
- Methoden mit geschlossenen Fragen, wie zum Beispiel die Gabor-Granger-Methode, versetzen Befragte in die Kaufentscheidung bei einem gegebenen Preis. Die Frage wird mit alternierenden Preisen wiederholt, bis die maximale Zahlungsbereitschaft bestimmt wurde.
Abb. 1: Gabor-Granger-Methode
Präzision der Gabor-Granger-Methode
Bei der Ermittlung der Zahlungsbereitschaft gibt es im Wesentlichen zwei Herausforderungen, die zu Antwortverzerrungen führen können:
- Befragte überschätzen häufig die eigene Zahlungsbereitschaft bei innovativen Produkten in der Entwicklung
- Befragte versuchen direkten Einfluss auf die Preisbildung in der Produktentwicklung zu nehmen und nennen daher möglichst günstige Preise
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass geschlossene Fragen, wie sie in der Gabor-Granger-Methode verwendet werden, weniger anfällig für Antwortverzerrungen sind als offene Fragen. Die Präzision der Methode ist jedoch von moderierenden Einflüssen wie dem Wissenstand der Verbraucher und Ankerfaktoren, wie dem in der Befragung gesteckten Preisrahmen, abhängig.
Einfluss des Wissenstands der Verbraucher
Das Wissen der Verbraucher, insbesondere ihr Produktwissen, beeinflusst maßgeblich die Genauigkeit der Messung durch die Gabor-Granger-Methode. Ein höheres Produktwissen führt zu einer genaueren Schätzung der Zahlungsbereitschaft, insbesondere bei offenen Fragen bei denen Marktexpertise gefragt ist. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass Verbraucher mit hohen Produktwissen ihre Zahlungsbereitschaft tendenziell unterschätzen. Eine Befragung von Verbrauchern mit ausgeprägter Expertise ist also insbesondere dann attraktiv, wenn bei der Produkteinführung eine Price-Skimming-Strategie verfolgt wird.
Die Rolle der unplausiblen Anker
In der Marktforschung beziehen sich „Anker“ auf die Tendenz von Befragten, stark von der zuerst präsentierten Information beeinflusst zu werden. Überraschenderweise zeigt die Studie, dass unplausible Anker in Umfragen zu geringerer Messungenauigkeit der Zahlungsbereitschaft führen. Dies deutet darauf hin, dass Befragte unplausible Anker als solche erkennen und sich weniger von ihnen beeinflussen lassen. Erkennen Befragte einen unplausiblen Anker, greifen sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf eine bewusste Entscheidungsregel zurück – und antworten ehrlich. Unternehmen sollten daher unplausible Anker verwenden, um bewussteres Entscheidungsverhalten zu fördern und Verzerrungen in den Ergebnissen zu reduzieren.
Abb. 2: Plausible und unplausible Anker
Fazit
Die Studie unterstreicht, wie wichtig die verwendete Befragungsmethodik bei der Ermittlung von Zahlungsbereitschaften ist. Offene Fragen sind bei Experteninterviews aufgrund des tiefgehenden Wissens der Befragten von Vorteil. Allgemeine Marktbefragungen jedoch profitieren von der Struktur und Einfachheit der Gabor-Granger-Methode und darin verwendeten geschlossenen Fragen.
Quelle
Schmidt, Jonas; Steiner, Michael; Krafft, Manfred; Eckel, Nadine; Dahl, Darren W., Hitting the bullseye: Accurately measuring willingness to pay for innovations with open and closed direct questions, International Journal of Research in Marketing, 2023, https://doi.org/10.1016/j.ijresmar.2023.12.003.