Der Lebensmittel-Liefermarkt boomt und Quick-Commerce-Anbieter wie Gorillas, Flink und Getir versprechen ihren Kunden innerhalb von wenigen Minuten frische Lebensmittel, Getränke und Haushaltsartikel zu liefern. Doch wie teuer sind die Quick-Commerce-Anbieter im Vergleich zum herkömmlichen Supermarkt? Die Pricing- und Vertriebsberatung Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants hat einen Blick auf Preise und Leistungen von Quick-Commerce-Anbietern, alternativen (E-Commerce-)Lebensmittel-Lieferanten und dem stationären Handel geworfen und interessante Ergebnisse herausgestellt.
Stationär versus online: Was ist günstiger?
Das Verkaufsargument von Online-Lieferdiensten ist in erster Linie Convenience. Trotzdem stellt sich die Frage, ob sie preislich eine Alternative zum stationären Supermarkt darstellen. Denn neben den allgemeinen Warenkosten sind auch Lieferkosten und ein Mindestbestellwert einzubeziehen. Bei den Quick-Commerce-Anbietern Gorillas, Flink und Getir kostet die Lieferung bis zu 3€. E-Commerce-Händler wie Amazon Fresh oder Rewe berechnen bis zu 5,90€. Mit höherem Warenwert werden diese Kosten reduziert oder komplett erlassen. Auch den Mindestbestellwert gilt es zu beachten: Je nach Anbieter liegt dieser inzwischen bei 10 bis 50€.
Abb. 1: Aufstellung der Lieferkosten
Warenkörbe im Vergleich
Um die Warenwerte zu vergleichen, wurde für jeden Anbieter ein repräsentativer, gewichteter Warenkorb erstellt, der sich am Wägungsschema des Statistischen Bundesamtes orientierte und neben Lebensmitteln und Getränken auch Haushaltsgegenstände umfasste. Als Standort der Untersuchung diente Köln. Die betrachteten Anbieter waren:
- Quick-Commerce: Gorillas, Flink & Getir
- E-Commerce: Rewe Lieferdienst & Amazon Fresh
- Stationärer Handel: Rewe, Edeka & Kaufland
Die Preis-Benchmark des Warenkorbs zeichnete ein klares Bild: Im Durchschnitt waren die Produkte der Quick-Commerce-Anbieter 12% teurer als die des stationären Handels.
Abb. 2: Preise des Warenkorbs pro Kategorie pro Anbieter
Bei den Quick-Commerce Anbietern unterschieden sich die Kosten des betrachteten Warenkorbs nur minimal und lagen alle zwischen 151 bis 161 Euro. So waren beispielsweise bei Gorillas Süßigkeiten teurer als bei Flink und Getir, dafür aber Fleisch und Fisch günstiger.
Besonders hohe Preisdifferenzen zum Supermarkt fanden sich in bei den Haushaltsprodukten, also bei Spülmittel und ähnlichen Verbrauchsgegenständen (rund 42% teurer bei den Quick-Commerce-Anbietern). Bei Lebensmitteln betrugen die Unterschiede wiederum meist weniger als 10%. Die Ausnahme bildeten Fleischprodukte, die im Schnitt 36% teurer waren. Auch Tiernahrung war bei den Quick-Commerce-Anbietern im Schnitt 34% teurer und für (alkoholische und alkoholfreie) Getränke mussten bis zu 19% mehr eingeplant werden. Nur in Ausnahmefällen waren die Produkte bei den Schnelllieferdiensten also günstiger als im stationären Handel, so etwa bei Gemüse.
Die E-Commerce-Lieferdienste hingegen waren im Schnitt nur 1% teurer als der stationäre Handel. Die Unterschiede waren hier auch bei Haushaltsprodukten (19%) und Fleisch (15%) besonders deutlich, während Brot und Gemüse online sogar günstiger waren.
Deutlich wurde insgesamt der gegensätzliche Trend von Convenience und Preis: Wie erwartet waren die praktischsten und schnellsten Anbieter (Quick-Commerce) teurer als der stationäre Handel. Die Online-Lieferdienste, die ebenfalls den Einkauf liefern, aber einen Tag Vorlauf benötigen, waren in beiden Dimensionen mit dem stationären Handel gleichauf.
Abb. 3: Preisdifferenz in Relation zum stationären Handel
Rabatte und Coupons
Ein nicht zu vernachlässigender Teil des Preismodells ist der Einsatz von Rabatten und Coupons. Um Wachstum zu generieren, bieten die Lieferdienste etwa für Neukunden kostenfreie Lieferungen oder Rabattgutscheine an. Um Kunden an sich zu binden, werden zusätzlich Rabatte angeboten, wenn die letzte Bestellung mehrere Wochen zurückliegt. Je nach Kaufverhalten werden die Promotionen also genutzt, um die Kundenbasis zu maximieren und die Markenloyalität zu steigern. Für den Endkunden kann dies einen großen Unterschied bedeuten: Durch den gezielten Einsatz von Promotionen können einzelne Einkäufe bei den Quick-Commerce-Anbieter so ein Preisniveau erreichen, das mit dem stationären Handel gleichauf ist oder diesen sogar unterbietet.
Die Konzepte hinter Quick-Commerce und E-Commerce
Seit Markteintritt legten die Quick-Commerce-Anbieter ein beeindruckendes Wachstum hin und sind heute in mehr als der Hälfte aller deutschen Großstädte aktiv – wenn auch bisher ohne schwarze Zahlen. Der größte Anbieter ist Flink mit unter anderem Rewe als prominentem Investor.1 Gorillas ist die zweite Größe auf dem Markt und war bei Gründung im Jahr 2020 der erste Anbieter.2 Der drittgrößte Lieferant ist Getir. Dieser übernahm Ende 2022 Gorillas.3 Auch für Flink wurden im April 2023 Gerüchte laut, dass eine Übernahme durch Getir bevorsteht – Ende Mai scheint dieser Deal aber geplatzt.4
Das Konzept hinter den Lieferdiensten ist einfach: Der Kunde lädt sich eine App herunter und stellt sich aus über 1.000 Artikeln seinen Einkauf zusammen. Nach der Online-Zahlung wird der Einkauf in festen Lagern zusammengestellt durch „Rider“ (Fahrradkuriere) innerhalb weniger Minuten bis an die Wohnungstür geliefert. Per App kann die Lieferung dabei in Echtzeit verfolgt werden.
Als Alternative zu den Quick-Commerce-Diensten existieren E-Commerce-Lieferdienste, wie von Rewe oder Amazon Fresh. Diese liefern in der Regel mit ein bis zwei Tagen Vorlauf einen Wocheneinkauf nach Hause. Der E-Commerce für Lebensmittel steht in direkter Verbindung zu stationären Supermarkt-Filialen und kann so größere Sortimente anbieten als die Quick-Commerce-Lieferanten. Gleichzeitig fallen hierbei die Mindestbestellwerte sowie Lieferkosten höher aus. Für die Unternehmen bedeutet die einzelne Lieferung somit mehr Umsatz.
Letzen Endes ist es eine Abwägung des Konsumenten, ob er für mehr Convenience preisliche Kompromisse eingehen möchte. Individuelle Faktoren, etwa die Erreichbarkeit des nächsten Supermarktes oder der Umfang des Einkaufes, spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Wie sehr sich der Einkauf per Quick-Commerce-Anbieter langfristig etabliert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Auf Anbieterseite wird die größte Herausforderung sein, die Profitabilität des Geschäftsmodells zu steigern, ohne dabei die Convenience zu verlieren, die sie für die Konsumenten in erster Linie attraktiv macht.
Die Ergebnisse unserer Studie sind unter anderem in der Lebensmittel Zeitung erschienen.
Quellen
1 Rewe (2021) REWE setzt auf Flink und auf weiteres dynamisches Wachstum von rewe.de
2 Gorillas (2023): Liefergebiete
3 Süddeutsche Zeitung (2022): Getir übernimmt Gorillas
4 Lebensmittel Zeitung (2023): Übernahme von Flink durch Getir geplatzt