Risiken einer unzureichenden Sortimentsstrategie
Für den Handel ist die Formulierung einer umfassenden Sortimentsstrategie ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ohne die Schaffung klarer Sortimentsschwerpunkte lässt sich das eigene Handelsprofil aus Kundensicht nicht erschaffen. Fehlt dieses Profil, fehlt auch eine klare Positionierung im Markt und gegenüber den Wettbewerbern. Für den Verkaufserfolg stellt dies ein großes Risiko dar. So ist es vielen Warenhäusern nicht gelungen, den Kunden eine Sortimentskompetenz in Profilkategorien zu vermitteln – der Grund, in einem Warenhaus einzukaufen, ist nicht evident genug.
Gleichzeitig wird aufgrund des großen Umfangs die Steuerung der Profitabilität des Sortiments zunehmend komplex. Die Entscheidung pro SKU (Stock-Keeping-Unit – individuelle Artikelnummer eines Produkts), es in das Sortiment aufzunehmen oder nicht, lässt sich nur mithilfe eines strategischen Rahmens effizient treffen. Wird das Sortiment zudem nicht aus Profitabilitätssicht gesteuert, liegt viel ungenutztes Umsatzpotenzial brach. Aus den genannten Gründen sollte jeder Händler über das eigene Sortiment, die Warengruppen und deren unterschiedliche Rollen nachdenken.
Unterschiedliche Rollen der Warengruppen
Für den Erfolg eines Händlers ist eine klar ausdefinierte Strategie und die Formulierung seines Profils aus Kundensicht elementar. Erst wenn diese Basis fixiert ist, sollten auf Grundlage des Einkaufsverhaltens der Kunden passende Rollen für die verschiedenen Warengruppen (Categories) des Sortiments definiert werden. Diese Rollen legen fest, welcher Kategorie in der Sortimentsstruktur welche Priorität zukommt. Im Category-Management kann zwischen verschiedenen Rollen, mit unterschiedlichen Funktionen, unterschieden werden:
Profilierungsrolle
Profilierungsrollen, sind die Warengruppen, die darauf abzielen, sich vom Wettbewerb abzuheben und mit denen Kunden angesprochen werden sollen. Sie sind der Hauptgrund für den Kundenbesuch. Daher nehmen sie auch die meisten Ressourcen in Anspruch, wenngleich sie anteilsmäßig oft nur einen Bruchteil des Sortiments ausmachen. Im klassischen Lebensmitteleinzelhandel (hier Vollsortimenter) hat in der Regel der Frischebereich die Profilierungsrolle: Die Auswahl an frischem Obst und Gemüse steht für eine allgemeine Foodkompetenz, lässt sich attraktiv in Szene setzen und ihr wird deshalb überproportional viel Fläche in der Regel direkt im Eingangsbereich eines Supermarktes zugewiesen.
Pflichtrolle
Pflichtrollen sind alle diejenigen Warengruppen, die der Kunde bei einem Besuch im Handel als Bestandteil des Sortiments erwartet. Hierunter fallen beim Lebensmitteleinzelhandel Güter des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise Milch, Butter oder Zucker. Diese Warengruppen nehmen meist den größten Teil des Sortiments ein (50-60% der SKUs) und haben eher geringe Handelsspannen, da hier oft der größte Wettbewerbsdruck herrscht.
Ergänzungsrolle
Ergänzungsrollen sind vorwiedgend Warengruppen, die zu Impulskäufen der Kunden führen. Hier sind eher gute Spannen zu erzielen, da auch meist kein Preiswissen bei Käufern vorherrscht. Hierzu gehören im Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise Produkte, die am Einkaufsband angeboten werden, wie Batterien, Sonnenbrillen oder dergleichen.
Saisonale Rolle
Saisonale Rollen nehmen dagegen typischerweise Aktionswaren ein, die nur vorübergehend geführt werden. Auch hier wird typischerweise auf Spontankäufe abgezielt. Klassischerweise handelt es sich hier beispielsweise um Artikel zu Ostern oder Weihnachten.
Formulierung der Warengruppen aus Kundensicht
Wichtig ist, die Rollen stets aus Sicht der Endkunden zu definieren. Dieselbe Warengruppe kann bei einem Händler eine andere Rolle spielen als bei einem anderen – je nach Profil des Händlers. So finden sich im Supermarkt beispielsweise Gesichtscremes, jedoch nur fokussiert auf wenige, erfolgreiche Artikel. Anders im Drogeriemarkt, wo das Gesichtspflegeregal ca. 1.000 Artikel umfassen kann. Der Grund sind die Kunden: Sie kommen mit anderen Erwartungen an das Sortiment in einen Drogeriemarkt als sie es im Falle eines Supermarktes tun. Entsprechend haben die Kategorien andere Rollen.
Funktion der Rollen aus vertriebsstrategischer Sicht
Als Händler muss man sich immer die Frage stellen, als was man am Markt wahrgenommen werden möchte. Ist man beispielsweise als Discounter platziert, so spielt die Preisstellung eine ganz wesentliche Rolle. Große Sortimentsbreite, also viele verschiedene Kategorien anzubieten, ist wichtig, um die Bedürfnisse des Konsumenten abzudecken. Der Fokus auf wenige Artikel je Kategorie (geringe Sortimentstiefe) ermöglicht eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur und zeichnet die Sortimentspolitik des Discounters mit im Schnitt 2.000 bis 3.500 angebotenen Artikeln aus. Dahingegen ist für Vollsortimenter im Lebensmitteleinzelhandel ein Sortiment von etwa 12.000 Artikeln der Durchschnitt.
Rollen im B2B-Bereich
Im B2B-Bereich stellen sich ähnliche Fragen, wenngleich noch viel mehr der Fokus auf dem Fachhandel liegt. Hier ist es wesentlich, dass die Warengruppe, die zum Hauptleistungsversprechen Ihres Unternehmens passt, über entsprechende Profiliierungsrollen Rechnung getragen wird. Hier gilt es die meisten Ressourcen einzusetzen und ein möglichst umfangreiches, sprich tiefes Sortiment anzubieten. Dies kann sich dadurch abzeichnen, dass man viele unterschiedliche Marken und Hersteller in verschiedenen Preislagen anbietet und gegebenenfalls sogar noch weitere Eigenmarken platziert.
Beispiel: Sortimentsstrategie im B2B-Bereich
Ist man ein Händler von Handwerkerleitern, so sollte es möglich sein, Leitern unterschiedlicher Hersteller, in unterschiedlichen Höhen und Materialien (Holz, Aluminium etc.) und unterschiedlichen Ausführungen (Klappleiter, Steckleiter etc.) auswählen zu können. Strecken- bzw. Dropshipping-Modelle (Händler ordert erst bei Eingang einer Bestellung und sein Lieferant liefert direkt zum Endkunden) bieten hier Optionen, um enorme Sortimentstiefen anzubieten.
Die Profilierungs- und die Pflichtrollen
Die Profilierungsrolle nimmt hier meist eine oder mehrere Unterkategorien einer Warengruppe ein, während die anderen der Pflichtrolle zugeschrieben werden können. Zum Beispiel könnten Stahlleitern zu den Profilierungsrollen gehören, wohingegen Holzleitern zu den Pflichtrollen gehören.
Ergänzungsrollen
Ergänzungsrollen können Warengruppen einnehmen, welche aus Komfort während des Einkaufsprozesses (beispielsweise beim Check-out) mit in den Warenkorb des Kunden aufgenommen werden, die jedoch nicht der ursprüngliche Grund des Kundenbesuchs waren. In unserem Beispiel des Leiterhändlers, könnten dies zum Beispiel Arbeitsschuhe oder sonstige Artikel der persönlichen Schutzausrüstung sein, die beim Einsatz von Leitern von Nutzen sein könnten.
Saisonale Rollen
Saisonale Warengruppen können hier für Promotionen oder Aktionsware eingesetzt werden. Beispiele hierfür könnten kurzfristig verfügbare Bundles seitens der Hersteller oder Mengenrabatte („3 für 2“) sein.
Funktion der Rollen aus Sicht der Profitabilität
Die Profilierungsrolle ist größtenteils nicht dazu geeignet die größten Handelsspannen zu generieren. Gerade hier ist das Ziel, sich durch ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis vom Wettbewerb abzusetzen. Hier gilt es sich entsprechend mit klaren Preisregeln zu differenzieren und gegebenenfalls über weitere Services der Vergleichbarkeit zu entziehen. Vorteil einer hohen Sortimentstiefe könnte jedoch sein, dass gewisse Artikel schwer vergleichbar sind und es diese nur bei sehr wenigen Wettbewerbern gibt. Daher können hier weitgehend höhere Spannen erzielt werden. Ähnlich verhält es sich mit Eigenmarken, da hier die Preishoheit komplett beim Händler liegt.
Im Bereich der Pflichtrolle sind eher die niedrigsten Spannen zu verorten. Ausnahme sind auch hier wieder Eigenmarken, die sich der Vergleichbarkeit des Wettbewerbs entziehen können. Nichtsdestotrotz kommt der Pflichtrolle durch den signifikanten Warenumschlag bei der Spannenbetrachtung eine sehr bedeutende Rolle zu und Artikel, die sich nicht positiv auf den Deckungsbeitrag auswirken, müssen gegebenenfalls ausgelistet werden. Sowohl Ergänzungs- als auch Saisonwaren haben traditionell die größten Handelsspannen. Hier kommt es häufig zu ungeplanten Spontankäufen und Kunden nehmen vermindert Vergleiche vor.
Beratungsprojekte mit Fokus auf Sortimentsstrategien
Roll & Pastuch hat bereits umfassende Erfahrungen in der Entwicklung und Umsetzung von Sortimentsstrategien:
- Neue Preise für einen E-Commerce-Händler (B2C) für das gesamte Sortiment
- Preisstrategien spezialisierter Multi-Channel B2B-Händler mit umfangreichem Sortiment (>100.000 SKUs)
- Listenpreissetzung für B2B-Händler in der Sozialwirtschaft mit Artikelrollen
Optimieren Sie Ihre Sortimentsstrategie
Das Rollenkonzept ist somit ein nützliches Werkzeug, um profitables Category-Management zu betreiben. Dass es nicht nur zur Sortimentspflege (Aufnahme versus Auslistung), sondern auch aus vertriebs- und preistechnischer Perspektive eingesetzt werden kann, macht es zu einem mächtigen Instrument im Handel. Gerne stehen wir Ihnen bei der Entwicklung Ihrer Sortimentsstrategie und der Definition Ihres Rollenkonzepts zur Verfügung. Bei Fragen und für weitere Informationen melden Sie sich gerne.