Kaum ein Thema ist heute so aktuell wie der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit. Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, diese Entwicklungen gewinnbringend für sich zu nutzen. Preismanagement kann hier ein wertvoller Hebel sein. Besonders in der Chemiebranche stellt sich die Frage nach dem optimalen Pricing von nachhaltigen Produkten, da mehr Nachhaltigkeit oft auch höhere Kosten bedeutet. So wirkt sich Nachhaltigkeit auf die gesamte Produktionskette aus – von der Materialbeschaffung und -einsparung über eine gesteigerte Energieeffizienz bis hin zur Optimierung des CO2-Fußabdrucks. Nachhaltigkeit kann dementsprechend über die verschiedensten Wege erreicht werden: Verpackungsmaterial, Logistik, Zirkularität, CO2-Produktion, Entsorgung, Rohstoffe etc.
Für B2B-Unternehmen kann es sich lohnen, die hier anfallenden höheren Kosten in Kauf zu nehmen, weil sie diese über die Supply Chain weiterreichen können. Denn immer häufiger sind Kunden bereit, für umweltfreundliche Produkte mehr zu bezahlen: So zeigen Studien, dass über 30 bis 50 Prozent der Endkunden für nachhaltige Güter einen höheren Preis zahlen würden – Tendenz steigend. Konkret akzeptieren Konsumenten Preisaufschläge von bis zu 25 Prozent für nachhaltige Produkte im Vergleich zum Standard. Es verwundert also nicht, dass viele Unternehmen die Möglichkeit sehen, mit nachhaltigen Produkten höhere Preise erzielen zu können.
Dass die ökologische Umstellung nicht nur als reiner Kostentreiber verstanden werden darf, sondern vor allem als Chance und Differenzierungsmerkmal, zeigt das Beispiel BASF: Für die Jahre 2018 bis 2021 erhob das Unternehmen, ob sich ihre Investitionen in Nachhaltigkeit gelohnt hatten. Der ermittelte Return on Sustainability Investment (ROSI) zeigte im Anschluss eine Rendite von 126 Prozent – ein klares Zeichen dafür, dass Nachhaltigkeit eine profitable Strategie sein kann. Um dieses Potential optimal abzuschöpfen, müssen Unternehmen jedoch überprüfen, wie sich die notwendigen Preiserhöhungen am
Wie Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch attraktiv wird
Trotz des steigenden Interesses an Nachhaltigkeit birgt die Umstellung Risiken. Eine unüberlegte Preisgestaltung kann:
- den Umsatz drücken, nicht alle Kundengruppen sind bereit, mehr zu zahlen
- das Vertrauen der Kunden gefährden, wenn das Pricing nicht transparent argumentiert werden kann
- Kosten bei der Umstellung auf nachhaltige Produkte verursachen, die sich bei einer fehlerhaften Preisstrategie nicht ausgleichen lassen
Zur erfolgreichen Umsetzung haben wir ein Framework entwickelt, das die Monetarisierung von Nachhaltigkeitsaspekten unterstützt. Kern ist die Monetarisierung der Mehrwerte nachhaltiger Angebote, indem unterschiedliche Zahlungsbereitschaften verschiedener Märkte und Kundengruppen genutzt werden. Im Sustainability Pricing Framework wird der gesamte Verkaufsprozess von der Segmentierung bis hin zur Erfolgsmessung betrachtet.
Abbildung 1: Prof. Roll & Pastuch Sustainability Pricing Framework
1. Segmentierung
Voraussetzung für die erfolgreiche Vermarktung ist insbesondere eine gezielte Segmentierung der Kunden. Welche Kundengruppen schätzen nachhaltige Produkte? Wie erkenne ich ihre Zahlungsbereitschaft? An dieser Stelle ist es wichtig, eine systematische Kundensegmentierung vorzunehmen – Märkte lassen sich nicht einfach in „nachhaltige“ und „nicht-nachhaltige“ Kunden differenzieren. Verschiedene Kundengruppen haben unterschiedliche hohe Zahlungsbereitschaften für nachhaltige Produkte. Insbesondere im B2B-Bereich sollte ein klares Verständnis des Marktes und eine dementsprechende Preisdifferenzierung integraler Bestandteil einer effektiven Preisstrategie sein.
2. Mehrpreis definieren
Nach der Identifikation der Zielkunden, wird der mögliche Mehrpreis ermittelt. Ausschlaggebend sind hier die für die Zielkunden relevanten Werttreiber. In puncto Nachhaltigkeit könnten dies beispielsweise die Reduktion von Entsorgungs- oder Reinigungskosten, CO2-Einsparungen, der Recycling-Anteil von Produkten oder auch Nachhaltigkeitssiegel sein.
Es ist wichtig, sowohl die möglichen Kosteneinsparungen für den Kunden als auch den potenziellen Aufpreis zu quantifizieren, den der Kunde durch den Verkauf nachhaltiger Produkte wiederum an seine Kunden weitergeben kann. Diese Werttreiber können sich von Produkt zu Produkt und auch von Kunde zu Kunde je nach Anwendung stark unterscheiden. Am besten lassen sich die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Kundengruppen abschöpfen, wenn die Preisdifferenzierung über eine Produktdifferenzierung innerhalb des Portfolios legitimiert wird. Darüber hinaus hat die eigene Position in der Wertschöpfungskette einen großen Einfluss auf die Möglichkeit zur Durchsetzung von Aufpreisen für nachhaltige Produkte. Je näher sich ein Unternehmen am Endkunden befindet, desto größer ist das Potenzial.
In Abhängigkeit von Produkt und Markt eignen sich verschiedene Methoden für das Value Pricing. In einem Projekt mit einem Spezialchemie-Unternehmen wurden die Einsparungen der Zielkunden über eine Prozessanalyse ermittelt. Hinzu kam die Quantifizierung des Preispremiums an die übernächste Stufe der Supply Chain. Dieses wurde mit Hilfe der Economic-Value-Added-Methode erhoben. Die nachhaltige Produktlinie konnte so in einem konkreten Geldwert von der Standardproduktlinie differenziert werden.
3. Value Selling
Nach der wertorientierten Bepreisung der Nachhaltigkeitsaspekte sollte die Preisdurchsetzung mit gezieltem Value Selling unterstützt werden. Mit welchen Argumenten wird dem Kunden der Aufpreis des Produktes kommuniziert? Es geht hierbei um das Storytelling sowie die Argumentation des Mehrwertes, den das Produkt für die Supply Chain hat. In der Chemieindustrie bietet Value Selling die Möglichkeit, differenzierende Merkmale in den Vordergrund zu stellen. Entlang des Verkaufsprozesses haben sich hierfür verschiedene Werkzeuge wie z.B. Battle-Cards, Golden Questions, Elevator Pitches oder pragmatische Mehrwert-Kalkulatoren bewährt.
In dem Praxisprojekt mit dem oben erwähnten Spezialchemie-Konzern wurde die Prozesssimulation genutzt und in einen Mehrwert-Rechner überführt. Dieser ermöglichte es dem Außendienst, mit dem Kunden anhand von transparenten Annahmen kundenindividuell zu errechnen, welchen monetären Vorteil das nachhaltige gegenüber dem konventionellen Produkt hat. Dem Vorteil des nachhaltigen Produkts stand ein Invest von nur einem Zehntel gegenüber – die Vertriebsargumentation wurde dadurch deutlich erleichtert.
4. Verhandlung
Die Value Selling Materialien ermöglichen dem Vertrieb eine verbesserte Ausgangsposition in Verhandlungen. Um diese mit einem Verkauf erfolgreich abzuschließen, gilt es, die Verhandlung kundenindividuell vorzubereiten. Wie sehen die Prozesse beim Kunden aus? Welche Aspekte der Nachhaltigkeit sind besonders interessant? Wie sieht die übernächste Stufe der Supply Chain, also die Kundenlandschaft des eigenen Kunden, aus? Die Erkenntnisse sollten in einfachen Templates oder direkt im CRM aufbereitet und zusammengefasst werden. Mit Hilfe von spezifisch auf den „Nachhaltigkeits-Verkauf“ abgestimmten Verhandlungstrainings wird die Verkaufsoptimierung abgerundet.
5. Erfolg messen
Um zu prüfen, ob alle Schritte erfolgreich umgesetzt wurden und Verbesserungspotenziale zu identifizieren, ist es im Sustainability Pricing wichtig, den Erfolg zu messen und aus den Ergebnissen kontinuierlich zu lernen. Hierfür empfehlen sich spezifische Dashboards und KPIs, die den erzielten Aufpreis ermitteln, sowie qualitative Vertriebsfeedbacks. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse können die vorherigen Schritte des Sustainability Pricing Framework jederzeit nachjustiert werden.
Konkret:
- Kann die Segmentierung spezifiziert und können Zielkunden effektiver identifiziert werden?
- Kann die Ermittlung der Zahlungsbereitschaften im Value Pricing optimiert werden?
- Können die Verhandlungserkenntnisse und Kundenrückmeldungen dem Vertrieb helfen, die Preisdurchsetzung zu optimieren?
Nachhaltigkeit als Werttreiber – nicht nur für den Kunden
Langfristig sollten Unternehmen Nachhaltigkeit nicht nur als ökologische Notwendigkeit, sondern als Chance begreifen und auch als zentralen Bestandteil in Ihrer Vertriebs- und Preisstrategie verankern. Die erfolgreiche Integration in das Geschäftsmodell erfordert allerdings Schritte entlang des gesamten Vertriebsprozesses. Das Prof. Roll & Pastuch Sustainability Pricing Framework bietet hier Ansatzpunkte, wie die eigenen Mehrkosten erfolgreich im Preis durchgesetzt und gleichzeitig Mehrwerte für die Abnehmer geschaffen werden können. Value Pricing und Value Selling sollten in der Preisstrategie keine Fremdbegriffe sein. So machen Unternehmen nicht nur einen weiteren Schritt zur Erreichung ihrer Ziele, sondern schaffen einen zusätzlichen Wert für den Markt, indem sie sich als verantwortungsbewusste und zukunftsorientierte Akteure positionieren. Produzent, Kunde und Umwelt haben hiervon einen Vorteil – eine Win-Win-Win-Situation.
Quellen
Deloitte (2023): European Chemicals Pulse Check 2023
Dimitrious, Ioanna (2023): Identifying Monetary Value of ESG Actions in the Chemicals Industry Using the Return on Sustainability Investment (ROSI) Framework, International Hellenic University
Fortune (2021): Bill Gates – How ‚Green Premiums‘ can help us solve climate change
Iles, Alastair (2006): Shifting to Green Chemistry: the Need for Innovations in Sustainability Marketing, InterScience, Wiley
MERCK (2024): Die 12 Prinzipien Grüner Chemie
McKinsey (2022): B2B growth is where it’s green
Solvay (2024): Sustainability
UmweltDialog (2021): Jeder Dritte würde für nachhaltige Produkte mehr Geld ausgeben