Nettopreise sind in vielen Industrien der Standard. Sie sind einfach zu kommunizieren und für den Vertrieb leicht umsetzbar. Kunden schätzen Nettopreise zudem, weil sie Klarheit schaffen: Der Preis steht fest, Bonusabrechnungen entfallen, und Einkaufsabteilungen können effizienter arbeiten – etwa durch den direkten Vergleich von Angeboten über Beschaffungsplattformen wie bei VW. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass Nettopreise ohne eine klare Systematik zu massiven Inkonsistenzen und Verschwendung von Profit-Potenzialen führen können.
Nettopreise: Einfach, aber problematisch
Nettopreise werden in vielen Unternehmen nach keiner festen Logik vergeben. Es mangelt an einer klaren Preisarchitektur und Systematik, was zu drei zentralen Problemen führt:
- Es fehlt jegliche Incentivierungswirkung, da Kunden keine Anreize haben, sich im Sinne des Unternehmens zu entwickeln. Effizientere Bestellabläufe oder die Abnahme eines breiteren Sortiments werden nicht honoriert, da der Nettopreis ohnehin fix ist und es für Kunden irrelevant bleibt, wie sie sich verhalten.
- Die Preisgestaltung hängt stark von der Verhandlungsmacht und den individuellen Fähigkeiten der Vertriebler ab, was zu inkonsistenten Preisstrukturen führen kann.
- Transparenz und Nachvollziehbarkeit fehlen: Es bleibt oft unklar, wie einzelne Preise zustande kamen. Eine fehlende Dokumentation von Preisverhandlungen führt dazu, dass Kunden teils jahrelang unveränderte Preise zahlen, weil Preisentscheidungen nicht hinterfragt oder anpasst werden.
Nettopreise in der Praxis: Ein inkonsistentes Bild

Die fehlende Systematik bei der Vergabe von Nettopreisen führt oft zu erheblichen Preisunterschieden zwischen ähnlichen Kunden. Diese Unterschiede sind nicht nur schwer zu erklären, sondern können langfristig auch gefährlich für den Unternehmenserfolg werden. Konsolidierungen auf Kundenseite und ein zunehmender Wettbewerbsdruck machen die Preisunterschiede zunehmend sichtbar und angreifbar. Gleichzeitig bleiben Profit-Potenziale weiterhin ungenutzt, da Preisentscheidungen nicht strategisch getroffen werden. Ein häufiger Lösungsansatz für diese Problematik ist die Korrektur von zu niedrigen Nettopreisen durch die Festlegung von Mindestmargen. Für Unternehmen, die erfolgreiches Value Pricing und Value Selling umsetzen wollen, ist dies allerdings problematisch, da nicht der Mehrwert, sondern allein der Preis selbst im Fokus bleibt – sowohl in der Kundenkommunikation als auch intern.
Zielpreissystem: Eine systematische Lösung
Nettopreise können dabei durchaus funktionieren, allerdings nur, wenn sie systematisch hergeleitet werden. Ein bewährter Lösungsansatz hierfür bietet das Zielpreissystem. Zielpreise können entweder auf Basis von Listenpreisen oder ausgehend von Kosten abgeleitet werden. Während eine kostenbasierte Herleitung die tatsächlichen Aufwände berücksichtigt, bietet die Ausrichtung an Listenpreisen entscheidende Vorteile: Sie schafft eine marktorientierte Preisarchitektur und vermeidet Abhängigkeiten von möglicherweise inkonsistenten internen Kosten. Unabhängig davon, ob die Zielpreise auf Basis von Kosten oder Listenpreisen abgeleitet werden, erfolgt die Herleitung auf Grundlage intern objektiv nachvollziehbarer Kriterien wie Kundengröße, Segment, Sortimentbreite, logistischer Effizienz oder der Übernahme von Zusatzleistungen.
Dieses System schafft Transparenz und Konsistenz, indem es intern klar erkennbar macht, warum ein Kunde einen bestimmten Preis erhält und welche Faktoren diesen beeinflussen.

Ein Zielpreissystem bietet dabei mehrere Vorteile:
Einfacheres Controlling: Zielpreise sorgen für Klarheit, indem Abweichungen transparent dokumentiert und besser nachvollzogen werden können. So lassen sich Margenverluste frühzeitig erkennen und es kann gezielt gegengesteuert werden.
Bessere Kundenkommunikation: Unternehmen können klar kommunizieren, was Kunden leisten müssen, um bessere Nettopreise zu erzielen – etwa durch die Abnahme eines breiteren Produktsortiments oder die Übernahme von Marketingaktivitäten. Dadurch können Inkonsistenzen im Pricing zwischen vergleichbaren Kunden vermieden werden.
Reduktion der Abhängigkeit von Verhandlungen: Die Preisverhandlung verlagert sich weg von reinen Zahlen hin zu klaren Kriterien. Anstatt primär auf das Verhandlungsgeschick von Vertriebsmitarbeitern angewiesen zu sein, können diesen klare Argumente zur Durchsetzung der Nettopreise an die Hand gegeben werden.
Unterstützung strategischer Ziele: Zielpreise ermöglichen es, Preisgestaltung gezielt zur Erreichung strategischer Ziele einzusetzen, wie etwa dem Wachstum in bestimmten Segmenten oder der Gewinnung großer Aufträge.
Fazit: Nettopreise mit System
Nettopreise sind nicht das Problem – ihre unsystematische Umsetzung ist es. Ein Zielpreissystem bietet hier die Lösung, indem Preise transparent, nachvollziehbar und strategisch hergeleitet werden. Das Ergebnis ist ein Pricing, welches Konsistenz und Transparenz schafft, Kunden klare Anreize bietet, sich im strategischen Interesse des Unternehmens zu entwickeln, und gleichzeitig das Controlling und die interne und externe Kommunikation vereinfacht. Darüber hinaus unterstützt es langfristige Unternehmensziele, wie etwa die gezielte Förderung von Wachstum oder Profitabilität. Unternehmen, die systematisch mit Nettopreisen arbeiten, setzen nicht nur auf Effizienz, sondern nutzen den Preis als strategischen Hebel für nachhaltigen Erfolg.

Kai Pastuch
Managing Partner