In den bisherigen Ausgaben unserer Reihe zum Pricing von Ersatzteilen haben wir die verschiedenen Ansatzpunkte und Handlungsfelder sowie entsprechende Methoden zur Optimierung des Preismanagements vorgestellt. Sicherlich wird Ihnen auch an der einen oder anderen Stelle aufgefallen sein, dass eine praktische Umsetzung ohne den Einsatz von Software kaum möglich ist. Die Vielzahl an Ersatzteilen und die zumindest in Teilen vielfältigen Pricing Ansätze lassen sich nur sinnvoll implementieren, wenn dies zumindest teilautomatisiert erfolgt. Tabellenkalkulationsprogramme wie Excel bieten eine flexible und kostengünstige Basis und sind daher bei vielen Unternehmen das initiale Mittel der Wahl. Mit steigenden Anforderungen an die Methodik und wachsenden Portfolios stoßen viele Unternehmen aber über die Zeit an die Grenzen der einfachen Tabellenkalkulationsprogramme und sehen sich entsprechend nach Alternativen um. Im Folgenden möchten wir Ihnen die Vor- und Nachteile einer Lösung mit Bordmitteln erläutern und den Blick auf mögliche professionelle Alternativen werfen.
Pricing mit Hilfe von Bordmitteln
Während die meisten ERP Systeme, allen voran SAP, über die Zeit umfangreiche zusätzliche Funktionalität erhalten haben, ist der Bereich des wertorientierten Pricings weiterhin nur sehr eingeschränkt in den Standards abgedeckt. Grundfunktionalitäten sind gegeben, gleichwohl werden komplexere Pricing Ansätze nicht originär unterstützt. Für die Preisbildung bedeutet dies, sich entweder hinsichtlich der Komplexität der Methodik zu beschränken oder auf Alternativen auszuweichen. Beschränkung auf Standards bedeutet nach unserer Beratungserfahrung, dass in vielen Unternehmen nur einfachste Cost-Plus-Verfahren angewendet werden, um über diesen Weg Listenpreise zu kalkulieren. Häufig wird dabei nur zwischen sehr wenigen Aufschlagsfaktoren differenziert, zum Beispiel hinsichtlich Eigenfertigung und Handelsware.
Wächst der Anspruch an die Methodenauswahl, so greifen die meisten Unternehmen zur nächstbesten verfügbaren Alternative: bereits vorhandene Lösungen zur Tabellenkalkulation. Durch die lange Historie, vielfältige Erweiterungen und hoher Flexibilität bei der Ausgestaltung, liegt die Nutzung auch im Kontext der Preiskalkulation nahe. Die wohl gängigste Software zur Kalkulation im betriebswirtschaftlichen Kontext wird dabei weiterhin mit großem Abstand Excel von Microsoft sein.
Vorteile beim Einsatz von Software zur Tabellenkalkulation
Einer der wesentlichen Gründe für die Nutzung liegt offensichtlich in den fehlenden Zusatzkosten. Die Lizenzen sind günstig und in so gut wie allen Fällen ohnehin bereits vorhanden. Viele Mitarbeiter sind mit der Nutzung vertraut und haben bereits kleinere Lösungen in anderen Kontexten erstellt. Die verfügbare Funktionalität ist beeindruckend, sodass erfahrene Entwickler auch komplexere Herausforderungen mit Excel lösen können.
Nachteile beim Einsatz von Software zur Tabellenkalkulation
Wesentlicher Nachteil beim Einsatz der gängigen Software-Produkte ist die Fehleranfälligkeit bei der Programmierung. Die Vorteile der schnellen und einfachen Entwicklung schlagen hier negativ zu Buche. Kleinere Fehler bei Verweisen, die zum Beispiel nicht über alle Zeilen einer Tabelle reichen, werden schnell übersehen und führen zu nur scheinbar korrekten Ergebnissen. Bei sehr großen Datenvolumina (Ersatzteilportfolios können durchaus mehr als 100.000 Teile enthalten) kann es bei komplexen Pricing Regeln auch zu Performance Problemen kommen. Kritisch ist auch der Umstand, dass Änderungen an den Preisen im Normalfall nicht dokumentiert werden, sodass die Pricing Historie nur selten transparent ist. Sollen verschiedene Pricing Methoden parallel eingesetzt werden, so kann es auch schnell unübersichtlich werden. Die fehlende Anbindung an das preisführende (ERP-)System führt häufig zu zusätzlichen manuellen Aufwänden bei der Dateneinsicht und Datenpflege.
Pricing mit dezidierter Pricing Software
Vor dem Hintergrund der geschilderten Nachteile beim Einsatz von ERP oder Tabellenkalkulationsprogrammen im Pricing haben verschiedene Anbieter spezielle Softwarelösungen für das Preismanagement entwickelt und bieten diese mit stark zunehmendem Erfolg am Markt an. Meist handelt es sich dabei um modulare Software-Suiten, die abhängig von dem Anwendungskontext ganz oder in Teilen lizenziert werden können. Die Strukturen unterscheiden sich zwischen den Anbietern, sehr häufig lassen sich aber die folgenden Kernfunktionen unterscheiden:
Planung & Analyse
Mit verschiedenen Cockpits und Analysemöglichkeiten werden Fehler im Pricing aufgedeckt. Die Funktionsumfänge ähneln klassischen BI-Tools (Business Intelligence). Der Anwender erhält somit Transparenz, bei welchen Produkten oder Kunden noch Potenziale liegen.
Preissetzung
Die kundenspezifische Angebotslegung wird mit Hilfe von CPQ (Configure-Price-Quote) Lösungen unterstützt. Hierbei stehen eine adäquate Rabattgewährung und die Workflow-Unterstützung bei der Angebotslegung im Fokus.
Preisdurchsetzung
Kundenspezifische Angebote werden mit Hilfe von CPQ (Configure-Price-Quote) Lösungen unterstützt. Hierbei steht eine adäquate Rabattgewährung und die Workflow-Unterstützung bei der Angebotslegung im Fokus.
Um die hohen Entwicklungsaufwände tragen zu können, versuchen die meisten Software-Anbieter mit ihren Produkten eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. Dies gelingt über eine große Bandbreite an Nutzungszenarien, die durch die jeweilige Lösung abgedeckt werden. Vor diesem Hintergrund sind die ehemals sehr spezifischen Lösungen in den meisten Fällen zu sehr komplexen und umfassenden Pricing Suiten angewachsen. Dies bringt einiges an Vorteilen hinsichtlich der Flexibilität mit sich, führt aber auch in einigen Fällen zu Nachteilen bei der Übersichtlichkeit und Nutzerführung. Sie können sich vermutlich leicht vorstellen, dass die Pricing Verfahren und Workflows beim Pricing von Ersatzteilen dem Pricing von Hotelzimmern nach Auslastungsgrad, dem Pricing von Maschinen nach Kundennutzen oder der Preisfindung für Rohstoffe nicht besonders ähnlich sind. Vor diesem Hintergrund gibt es auch einige wenige Anbieter, die sich ausschließlich auf das Pricing von Ersatzteilen konzentrieren. Nachfolgend finden Sie eine Tabelle mit eine Gesamtübersicht zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Software-Optionen beim Pricing von Ersatzteilen.
ERP | Tabellenkalkulation | Pricing Suite | Spezialsoftware | |
Funktionalität | – häufig sehr eingeschränkt |
o sehr flexibel; bei komplexen Verfahren eingeschränkt |
+ sehr umfangreich, mit vielfältigen Anwendungsfällen |
+ optimal auf das Pricing von Ersatzeilen ausgerichtet |
Bedienung | o Für ERP Anwender vertraut, selten intuitiv |
o Abhängig vom Entwickler; kann leicht unübersichtlich werden |
o Abhängig vom Anbieter |
o Abhängig vom Anbieter |
Fehleranfälligkeit | + gering, fixe Programmierung |
– Konzeptbedingt im Vergleich fehleranfällig |
+ gering, fixe Programmierung |
+ gering, fixe Programmierung |
Workflow & Rollenkonzepte | + kann in ERP Workflows eingebunden werden |
– im Allgemeinen keine Workflow Funktionalität gegeben |
+ kann in ERP Workflows eingebunden werden |
+ kann in ERP Workflows eingebunden werden |
Dokumentation | + Preisänderungen können dokumentiert werden |
– Preisänderungen nur schwierig zu dokumentieren |
+ Preisänderungen können dokumentiert werden |
+ Preisänderungen können dokumentiert werden |
Laufende Kosten | + keine zusätzlichen Lizenzkosten |
+ Lizenzen meist bereits vorhanden |
– Lizenzgebühren häufig >200 TEUR im Jahr |
o Lizenzgebühren abhängig von der Lösung <50 TEUR im Jahr |
Einmalkosten | +/- Einfache Lösungen leicht abbildbar; Komplexe Lösungen aufwändig |
+ Programmierung meistens in Eigenleistung möglich |
– Aufwand für Integration und Konfiguration häufig erheblich |
o Aufwand für Integration; Konfiguration häufig weitgehend standardisiert |
Pricing am Beispiel von nueprice
nueprice ist die Pricing Software unserer gleichnamigen 100% Tochtergesellschaft, der nueprice GmbH. Sie ist einer der wenigen Vertreter aus dem Bereich der Spezialsoftware, der sich ausschließlich auf das Pricing von Ersatzteilen fokussiert. Auf Grund der Komplexität der unterstützten Funktionalität wollen wir uns zur Illustration nur auf einige ausgewählte Aspekte fokussieren, um insbesondere den Mehrwert von Pricing Suiten und Spezialsoftware gegenüber einer Excel Lösung exemplarisch herauszuarbeiten.
Funktionalität
Mit nueprice wird eine beliebige Anzahl an Pricing Methoden unterstützt, die zum Teil ergänzend zur Preisfindung einzelner Artikel aber auch des gesamten Portfolios beitragen können. Hierzu zählen unter anderem alle in dieser Blog-Reihe vorgestellten Verfahren zur Erstellung von Listenpreisen. Die Verfahren werden parallel angewendet und die Ergebnisse für den Pricing Manager transparent ausgewertet. Er hat somit alle notwendigen Informationen auf einen Blick zur Verfügung und kann sich entscheiden, ob er die Gelegenheit zur DB-Steigerung oder zum Marktanteilsausbau nutzen möchte. Anbei finden Sie eine typische Ansicht aus dem Cockpit mit den wesentlichen Informationen zur Preisbildung eines ausgewählten Artikels.
Optimierung ganzer Portfolios
Neben der Optimierung des Pricings von einzelnen Artikeln können auch ganze Portfolios automatisiert angepasst werden. nueprice arbeitet hierbei mit Szenarien, die es ermöglichen, den Grad der Ausdifferenzierung bei der Preisfindung beliebig auszusteuern. Hierzu folgt die Preisfindung einer Baumstruktur, bei der ausgehend von der obersten Artikelhierarchie verschiedenste Preisanpassungsstrategien zur Anwendung kommen. Diese Strategien können individuell festgelegt und auf jeder Ebene der Artikelhierarchie beliebig verfeinert werden.
Transparenz dank Pricing Cockpits
Die Simulationsergebnisse werden mit Hilfe von Pricing Cockpits transparent abgebildet, sodass der Preisbilder jederzeit eine Übersicht zu den Auswirkungen insgesamt, aber auch ausdifferenziert nach Artikelgruppen hat. Auffälligen oder der Gesamtstrategie entgegenstehenden Auswirkungen kann im nächsten Schritt gezielt begegnet werden. Das iterative Vorgehen erlaubt somit eine schrittweise Annäherung an den gewünschten Zielzustand. Ist dieser erreicht, so können die Preise anschließend freigegeben und ins ERP System überspielt werden. Der Prozess wird optional durch entsprechende Freigabe Workflows unterstützt, sodass Preisbildung und Preisfreigabe in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen liegen können.
Mit dieser Ausgabe von „Best of Roll & Pastuch“ schließen wir die Reihe zum Pricing von Ersatzteilen. Selbstverständlich stehen wir jederzeit für einen persönlichen Termin zur weiteren Vertiefung und Austausch zur Verfügung. Wir hoffen, Sie hatten eine interessante Lektüre.