Warren Buffett sagte einmal: „Pricing power is the single most important decision in evaluating a business.“ Grund genug, sich näher mit dem Konzept der Pricing-Power auseinanderzusetzen. In diesem Artikel laden wir Sie zu einem Gedankenexperiment ein – Ihr Verständnis von Pricing-Power wird danach nicht mehr dasselbe sein.
Warum Pricing-Power der Schlüssel zu Ihrem Erfolg ist
Pricing-Power wird oft als die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, Preise zu ändern, ohne dass sich die Nachfrage bzw. die verkaufte Menge nennenswert verändert. Doch trifft diese Definition wirklich den Kern? Ist diese Betrachtung nicht zu kurzsichtig?
Die klassische Definition bezieht sich direkt auf die Preiselastizität – also die Änderung der Absatzmenge bei einer Preisänderung. Bei Unternehmen mit hoher Pricing-Power ist die Preiselastizität folglich nahe Null: Eine Preiserhöhung führt zu keiner Veränderung der Menge. Doch ist dieses theoretische Konstrukt die ganze Wahrheit?
Drei verbreitete Irrtümer über Pricing-Power entlarvt
Wir sehen drei zentrale Fehler bei der Interpretation von Pricing-Power, die wir im Folgenden beleuchten:
1) Preiselastizität ist relativ:
Die Preiselastizität misst die prozentuale Änderung der Nachfragemenge als Reaktion auf eine Preisänderung. Empirisch belegt ist, dass sie von Marktsegment zu Marktsegment variiert – manche Marktsegmente sind elastischer, also preissensibler, als andere. Pricing-Power kann daher nicht unabhängig von Branche, Markt oder Segment betrachtet werden. Pricing-Power ist vielmehr ein relativer Vergleich im Wettbewerb: Wie elastisch sind die Produkte meines Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb und deren Marktverhalten? Wie unabhängig ist mein Pricing im Marktumfeld? Muss ich mich an Wettbewerbern oder Marktentwicklungen wie Kostendruck orientieren?
2) Pricing-Power hat natürliche Grenzen:
Angenommen, ein Unternehmen mit hoher Pricing-Power erhöht seine Preise ohne Mengen zu verlieren. Wie oft kann dieser Prozess wiederholt werden? Irgendwann wird auch das stärkste Unternehmen Absatzverluste erleiden. Jede Preiselastizität hat ihre Grenzen: Ab einem bestimmten Punkt übersteigen die Mengenverluste die Gewinne aus höheren Preisen. Was dann? Ist Pricing-Power dann bedeutungslos?
3) Historische Fehler im Pricing:
Wenn bei einer Preiserhöhung kaum Mengeneinbußen auftreten, war der Preis offensichtlich zuvor zu niedrig. Die Kunden waren bereit, mehr zu zahlen. Vielleicht wurde der niedrige Preis bewusst zur Wettbewerbsverdrängung gewählt. Doch nur weil man von einem niedrigen Preis ohne signifikante Mengenverluste erhöhen kann, bedeutet das nicht automatisch hohe Pricing-Power. In beiden Fällen wurde in der Vergangenheit Marge verschenkt. Kurzfristig kann Pricing-Power also die Korrektur von Inkonsistenzen oder einer aggressiven Preisstrategie sein – aber kann man das wirklich als „Power“ bezeichnen? Wenn diese Fehlstellungen ausgeglichen sind, stellt sich die Frage: Ist Pricing-Power dann noch relevant?
Die wahre Essenz der Pricing-Power
Zur Beantwortung der Frage möchten wir das Verständnis von Pricing-Power erweitern. Echte Pricing-Power trägt nicht nur kurzfristig zum Gewinn bei, sondern sichert auch die nachhaltige Geschäftsentwicklung. Sie ist mehr als nur die Festlegung eines Preispunkts oder die Korrektur historischer Fehler. Pricing Power ist eng verbunden mit dem Wert, den ein Produkt oder ein Service für die Kunden hat – sei es über den reinen Produktnutzen, die Marke oä. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Möglichkeiten innerhalb der Commercial Excellence, die Pricing-Power zu erhöhen. Pricing-Power ist insbesondere auch ein Ergebnis eines ganzheitlichen End-to-End-Preismanagements.
Langfristig ist Pricing-Power die Fähigkeit eines Unternehmens zu resilientem Preismanagement. Dazu gehört eine robuste und klare Preisstrategie, die optimale Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften der Kunden und die konsequente Durchsetzung der Preise im Markt.
Ein konkretes Beispiel dazu: Wir erleben Unternehmen mit echter Pricing-Power als diejenigen, die auch in den zurückliegenden Krisen jederzeit im „Drivers Seat“ ihres Pricings waren – mit klaren Preisanpassungsprozessen und klarem Handlungsrahmen, wohingegen Unternehmen mit geringer Pricing-Power Getriebene der Marktentwicklungen sind.
Der Weg zu echter Pricing-Power: Sieben Maßnahmen für Ihr Unternehmen
Sie könnten entgegnen, dass in Ihrer Industrie aber eine so hohe Marktabhängigkeit herrscht, dass diese Pricing-Power nicht umsetzbar ist. Allerdings erleben wir resiliente Unternehmen mit hoher Pricing-Power über die verschiedensten Industrien hinweg. Wie also können Sie Ihre Pricing-Power steigern und ein nachhaltig resilientes Preismanagement aufbauen?
- Klare Pricing-Strategie entwickeln: Erarbeiten Sie eine eindeutige Positionierung und setzen Sie bewusste Leitlinien im Pricing. Dabei gilt es, das Thema Preis-Leistung zu betrachten, also den oben erwähnten Wert des Produktes in einen Preis zu überführen. Vermeiden Sie opportunistisches Handeln basierend auf Marktgegebenheiten oder Einzelmeinungen aus dem Vertrieb.
- Kundensegmentierung und Zahlungsbereitschaften erkennen: Durch fundierte Pricing-Analysen differenzieren Sie zwischen verschiedenen Kundengruppen und ermöglichen eine effektive Preisdifferenzierung. So lassen sich Preiselastizitäten bzw. Preisniveaus zwischen Kundensegmenten differenzieren und optimal abschöpfen.
- Marketing und Wahrnehmung schärfen: Wie wird Ihr Produkt im Markt wahrgenommen? Wird es als „Reiniger“ oder als „hochwertige Spezialbehandlung“ für die Oberfläche verstanden? Gezielte Marketingmaßnahmen erhöhen den wahrgenommenen Wert und heben das Produkt vom direkten Preiskampf ab.
- Die richtige Preismethode wählen (Value-Pricing): Finden Sie die optimale Kombination aus Aufwand und Nutzen für Ihr Portfolio, Ihre Organisation und Ihre Kunden. So treffen Sie die Zahlungsbereitschaft Ihrer Kunden möglichst exakt. Zum Value-Pricing gehört auch ein erweitertes Verständnis Ihres Angebots: Bieten Sie nur ein Produkt oder eine ganzheitliche Lösung inklusive Services? Stellen Sie nicht nur das Produkt, sondern auch die dazugehörigen Services in den Vordergrund.
- Value-Selling etablieren: Statten Sie Ihren Vertrieb mit Argumenten aus, um den Mehrwert Ihrer Lösung zu verkaufen, statt nur über den Preis zu sprechen. Nutzen Sie Tools wie Battle-Cards oder Benefit-Calculator. Ein Besuch in der eigenen Produktion kann dem Vertrieb beispielsweise die Komplexität von Sonderanfertigungen (und dem damit verbundenen Preis) bewusst machen – oft ein Augenöffner.
- Klare Preis-Prozesse implementieren: Definieren Sie eindeutige Prozesse und Verantwortlichkeiten im Pricing. Insbesondere für Preisanpassungen sollten klare Auslöser, differenzierte Berechnungen und Simulationen sowie festgelegte Kommunikationswege an Vertrieb und Kunden vorhanden sein. Klare Prozesse können handwerkliche Fehler im Pricing abfangen, welche andernfalls bspw. zu Inkonsistenzen im Pricing oder schädigenden Ad-hoc-Rabattaktionen führen.
- Transparenz durch Business-Intelligence schaffen: Ein effektives BI-Monitoring ermöglicht Ihnen, den Status quo zu verstehen, fundierte Entscheidungen zu treffen und frühzeitig auf Marktveränderungen zu reagieren.
Fazit: Pricing-Power als Motor für nachhaltiges Wachstum
Pricing verlockt dazu, als kurzfristiger Hebel betrachtet zu werden. Doch die erfolgreichsten Unternehmen denken Pricing ganzheitlich und richten ihr gesamtes Geschäftsmodell auf Wertgenerierung aus. Pricing-Champions sind in ihrem Pricing unabhängig und resilient, während andere abhängig sind und sich immer wieder reaktiv neu ausrichten müssen.
Schauen Sie nicht nur auf die üblichen Verdächtigen wie Apple, Rolex und LVMH. Die Vorbilder liegen oft näher, in Form von Hidden Champions und international tätigen – ob Hansgrohe (Sanitär), AIXTRON (Halbleiter) oder B. Braun (Medizintechnik). Von ihnen gibt es viel zu lernen.
Setzen Sie auf eine umfassende Pricing-Strategie und bauen Sie echte Pricing-Power auf – für nachhaltigen Erfolg in Ihrem Markt.