Welche digitalen Geschäfts- und Preismodelle gibt es in einer Großküche? Wie wichtig ist der stationäre Handel trotz eines immer stärker wachsenden E-Commerce und warum ist eine hohe Ebit-Marge nur die logische Konsequenz einer zu 100 Prozent an Kundenbedürfnissen ausgerichteten Produktpolitik? Markus Paschmann, Vorstandsmitglied der RATIONAL AG und verantwortlich für Vertrieb, Marketing und Service, gibt im Interview mit Gregor Buchwald Antworten auf diese Fragen.
Die RATIONAL AG ist spezialisiert auf die Zubereitung von Speisen in Großküchen, speziell auf die thermische Vorbereitung. Täglich werden mit RATIONAL-Produkten 1,4 Millionen Essen weltweit zubereitet. Das Unternehmen beschäftigt ca. 2.500 Mitarbeitende weltweit, realisierte 800 Millionen Euro Umsatz im letzten Jahr und ist im Mdax notiert.
Gregor Buchwald: Sie haben eine enorme Marktpräsenz und vermutlich einen extrem hohen Marktanteil. Gibt es hierzu öffentliche Zahlen?
Markus Paschmann: Ja, wir schätzen unsere heutige Marktdurchdringung auf über 50 Prozent. Man kann sagen, dass in jeder zweiten professionellen Küche der Welt ein Rational-Gerät steht. Daneben haben wir noch viele Wachstumsmöglichkeiten, da wir uns als Aufgabe gesetzt haben, mit einem Kombidämpfer, einer Kombination aus Heißluft und Dampf, den klassischen Kochprozess zu ersetzen. Wir gehen damit in die ganze Welt. Im nächsten Jahr machen wir das seit 50 Jahren.
Gregor Buchwald: Sie haben eine EBIT-Marge von über 20 Prozent und eine Brutto-Marge von über 50 Prozent – das lohnt sich!
Markus Paschmann: Ja, wir sind sehr erfolgreich und führen das auf zwei Dinge zurück: Einerseits sind wir ein sehr fokussiertes Unternehmen. Wir hatten ursprünglich ein Produkt, den Kombidämpfer unter dem Markennamen iCombi Pro. In den letzten zehn Jahren haben wir ein zweites Produkt, das Komplementärprodukt hierzu aufgebaut, den iVario mit Kontakthitze.
Gleichzeitig richten wir das ganze Unternehmen auf ein Thema aus: maximalen Kundennutzen stiften. Es geht uns darum, dass der Kunde zufrieden ist und uns weiterempfiehlt. Auch hier liegen wir in den Top 10 Prozent der besten Kundenzufriedenheitswerte der Welt. Wenn die Kunden zufrieden sind, dann stimmt auch der Gewinn.
Gregor Buchwald: Bei Ihnen geht der klassische Weg nicht direkt zum Endkunden, wie dem Restaurant- oder Kantinenbetreiber. Sie gehen in der Regel über den Handel. Welche Funktion hat der Handel für Sie? Und wie spielt das Thema Marktplätze, E-Commerce und Direct-to-Customer eine Rolle?
Markus Paschmann: Unser Hauptweg war schon immer der Fachhandel. Wir sehen den Handel als Partner und behandeln diesen wie ein eigenes Unternehmen. Es ist eine partnerschaftliche Beziehung. Wir brauchen den Fachhandel zum einen als Multiplikator zum Endkunden.
Das andere ist, dass unsere Kunden nicht nur Kombidämpfer einsetzen, sondern auch Spülmaschinen, Kühltechnik und andere Teile in der Küche, die betreut und installiert werden müssen. Einen Kombidämpfer kann man nicht einfach bestellen und er wird dann auf die Theke gestellt und läuft. Es muss zunächst Wasser, teilweise Gas angeschlossen werden, es muss eine LAN- und WLAN-Verbindung aktiviert und für Abwassertechnik besorgt werden… Somit brauchen wir die handwerkliche Dienstleistung, um das Produkt so zu installieren, dass es beim Kunden seinen Zweck erfüllen kann.
Gregor Buchwald: In Amerika schießen Player aus dem Boden, die auch online ihre Produkte anbieten. Ist das für Sie ein ergänzendes Geschäft?
Markus Paschmann: Die Branche ist im Umbruch und am Experimentieren. Zum einen fangen unsere Händler an, Online-Plattformen und Webshops zu kreieren. Dies ist für uns per se kein Problem, da diese einen Kanal für den Händler darstellen. Am Ende führt dies trotzdem zu einer Installation, die online nicht machbar ist.
Wir sehen außerdem, dass sich vom eigentlichen Gerät entfernt wird. Ein Gerät braucht Zubehör und Reiniger. Hier sehen wir den eindeutigen Trend, dass Zubehör für die Küche stärker auf Online-Plattformen nachgefragt wird. Wir selbst nutzen auch eine Amazon-Plattform in den USA, um Kunden diese Betriebsmittel zur Verfügung stellen zu können.
Auch wir selbst betreiben eine E-Commerce-Plattform zu unseren Händlern. Wir fangen an, unsere Schnittstellen-, Supply-Chain- und Order-to-Cash Prozesse zu digitalisieren.
Gregor Buchwald: Stimmt es, dass sie vorzugsweise Köche im Vertrieb einstellen? Einen besseren Sales-Pitch als von Koch zu Koch kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Markus Paschmann: Absolut. Wir setzen im Vertrieb zum Großteil Köche ein, um mit den Kunden zu reden. Wir haben einen sehr dezidierten Vertriebsprozess und sind der Überzeugung, dass wir auf Augenhöhe und in der Sprache der Kunden kommunizieren. So können wir genau die Dienstleistung anbieten, die den optimalen Kundennutzen stiften. Und wir sind in der Lage, die Geräte so zu konfigurieren, dass sie genau den Kundenbedürfnissen entsprechen.
Gregor Buchwald: Den „Pull“ in der Customer Journey setzen Sie. Sie veranstalten viele Events und treiben durch verschiedene Maßnahmen das Thema Digitalisierung voran. Erzählen Sie doch noch etwas mehr zum Thema Digitalisierung in der Küche.
Markus Paschmann: Einerseits haben wir heute einen digitalen Vertriebsprozess. Wir monitoren und betreuen die Reise des Kunden über viele Touchpoints und erfassen diese mit einem digitalen Tool. Wir können an den wesentlichen Touchpoints die Kundenzufriedenheit an dieser Transaktion feststellen und begleiten den Kunden über den gesamten Lebenszyklus des Produktes. Ziel ist, dass es am Ende des Produktlebenszyklus zum Wiederkauf kommt.
Wir sind sehr akribisch und wissen genau, wie viele Opportunities über digitale Medien kommen. Wir wissen heute, was über Social Media, die Webseite und Messen kommt. Im Grundsatz führen viele dieser Dinge auf ein „Garen live“-Event zurück, bei dem wir das Produkt vorführen. Wenn wir an diesem Punkt angekommen sind und die Kunden das Produkt, das Ergebnis und die Benefits gesehen haben, dann wird der Kaufprozess auch abgeschlossen.
Wir sind in dieser Hinsicht sehr digital, vor allem im Sinne der Nachverfolgung. Wir nutzen auch digitale Kanäle. Im Rahmen von Covid haben wir online Webinare veranstaltet, wir gehen live in die Küchen mit der Kamera und nutzen heute nicht nur den analogen Vertriebsprozess, sondern auch digitale Medien im Vertriebsprozess. Social Media ist ein fester Bestandteil der Kundenakquise. Wir sind stolz darauf, eine digitale Customer Journey abbilden und nachverfolgen zu können.
Gregor Buchwald: Wie sieht es mit Preismodellen aus? Gibt es beispielsweise Ansätze in Richtung Pay-per-Use?
Markus Paschmann: Die Grundlage für solche neuen, nutzungsorientierten Services ist, dass die Produkte digital gesteuert und erfasst werden können. Das ist für uns machbar über eine digitale Plattform, unsere Cloudlösung „Connected Cooking“. Alle neuen Geräte haben seit Jahren die Möglichkeit, sich in die Cloud einzubinden.
Dieses Produkt ist mit seinen Grundfunktionalitäten kostenlos. Der Vorteil ist, dass der Kunde auf dieser Basis kostenpflichtige Zusatzprodukte erwerben kann, die über den normalen Umfang der digitalen Produkte hinausgehen. So kann beispielsweise eine Hygienemanagementsoftware erworben werden, um einen kompletten Hygieneprozess in der Küche online managen und dokumentieren zu können. Diese Modelle gehen in Richtung Pay-per-Use. Es sind klassische Lizenzmodelle, bei denen der Kunde für die Leistung, die er von Rational bekommt, bezahlt.
Gregor Buchwald: Sie haben ein „Wikipedia der Kochrezepte“ online. Bieten Sie die Online-Rezepte kostenlos an oder haben Sie sich wie Thermomix eine wiederkehrende Ertragsquelle aufgebaut?
Markus Paschmann: Diese Bibliothek ist umsonst. Zukünftig wird es aber auch digitale, bezahlte Produkte geben, welche einen signifikanten Mehrwert haben werden. Beispielsweise sind wir in der Lage, über künstliche Intelligenz sämtliche Gerätedaten zu analysieren und das Verhalten der Geräte vorherzusagen – ein sogenanntes Predictive Maintenance Modell. Wir wissen also genau, wann eine Türdichtung ausgetauscht werden muss oder die Pumpe ausfallen könnte. Diese Services sind momentan im Feldtest.
Durch die Nutzung entsteht in jedem Fall ein wirklicher Mehrwert, der entgeltlich erworben werden muss: Wenn ich sicherstellen kann, dass die Instandhaltungskosten in Zukunft niedriger sind, weil es keine Ausfälle mehr gibt, dann sind Kunden bereit, im Sinne der Total Cost of Ownership (TCO) für solche Softwaredienstleistungen zu bezahlen.
Gregor Buchwald: Welche Maßnahme im Bereich Sales, Pricing oder Marketing hat einen echten Sales-Push bei Ihnen gebracht?
Markus Paschmann: Hierfür gibt es mehrere Beispiele. Wir haben uns mit der Unterstützung von Roll & Pastuch intensiv mit der richtigen Pricing-Struktur auseinandergesetzt: Welcher Kundennutzen ist wie viel wert? Wir haben ein Pricing-Grid entwickelt, auf Basis dessen wir einem Kunden erklären können, warum ein Gerät A anderes Geld kostet als ein Gerät B.
Diese Transparenz hat viel Vertrauen am Markt geschaffen. Obwohl wir Bottom-Line mehr Geld verdient haben durch diese Maßnahme, war sie im Markt vertrauensbildend. Heute können wir Kunden weltweit die gleiche Logik erklären, wie wir unsere Produkte bepreisen. Pricing-Qualität hat etwas mit Vertrauen zu tun und wenn man den Mut hat, eine logische Preisstruktur umzusetzen, führt dies zu einer Margenverbesserung, aber auch zu erhöhter Kundenzufriedenheit.
Ein anderes Beispiel: Als wir das neue Produkt, den XS, in Japan positioniert haben, haben wir uns viele Gedanken gemacht, zu welchem Preis wir uns im Hinblick auf den Wettbewerb positionieren. Es ist uns gelungen, den richtigen Preis zu treffen, sodass wir binnen zwei bis drei Jahren einen Marktanteil von 40 Prozent erreicht haben (von 0). Ich empfehle jedem, sich mit dem Thema Pricing strategisch zu beschäftigen.