Im B2C-Geschäft sind gebrochene Preise keine Seltenheit. Aber welche Wirkung haben die Preise auf die Nachfrage und für welche Produkte eignen sie sich?
Als Konsument kann man dem Phänomen kaum entgehen: Produkte sind so bepreist, dass sie sich knapp unter einer Preisschwelle befinden. Es kann sich sowohl um einen Joghurt handeln, der 99ct anstatt 1€ kostet, oder um einen Neuwagen, dessen Grundpreis bei 29.990€ liegt. Auch Preise die mit 95ct enden tauchen im Einzel- oder Onlinehandel oft auf. Dabei handelt es sich nicht um Zufälle, sondern um eine Preistaktik namens gebrochene Preise (auch: Schwellenpreise). Den meisten Käufern ist dabei rational klar, dass die Preisdifferenz zur nächsten Schwelle unerheblich ist. Trotzdem erfreut sich die Preistaktik großer Beliebtheit.
Die Ursprünge der gebrochenen Preise
Legenden besagen, dass die Schwellenpreise ihren Ursprung darin haben, dass amerikanische Ladenbesitzer ihre Verluste niedrig halten wollten: Um einen Cent Rückgeld herausgeben zu können, mussten die Angestellten die Kasse öffnen, und stahlen aus diesem Grund weniger. Anderen Quellen zufolge wollte ein Verleger die Zirkulation von 1ct-Münzen erhöhen und überzeugte Ladenbesitzer deshalb von den Schwellenpreisen. Das Ziel war eigentlich, seine Zeitung einfacher verkaufen zu können, die damals genau 1ct kostete.
Ob die Geschichten der Wahrheit entsprechen, lässt sich schwer zurückverfolgen. Aber dass die Schwellenpreise bis heute überdauern, kann nicht nur Tradition sein. Diverse Studien (z.B. Ortega & Tabares, 2006) haben die Wirkung empirisch untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie bei richtiger Anwendung zu signifikanten Umsatzsteigerungen führen können. Der Grund hierfür wird vor allem darin gesehen, dass die linken Ziffern eines Preises stärker gewichtet werden als die rechten (Sokolova et al., 2020). Einen Preis von 19,99€ interpretieren wir also in erster Linie als Preis in den 10ern, während die 9 in den Hintergrund rückt.
Die gebrochenen Preise sind den Kunden teilweise sogar mehrere US-Dollar wert: So waren die Kunden in einem Experiment indifferent zwischen den Preisen 49,95$ und 46,77$. Preise, die kurz unter einer Schwelle liegen, können die Nachfrage um bis zu ein Drittel erhöhen – sogar dann, wenn es sich eigentlich um eine Preiserhöhung handelt. Bei Produkten ab 40$ übersteigen Preise, die mit 95ct enden, die Effektivität der 99ct-Preise.
Empfehlungen für Unternehmen: Gebrochene Preise verwenden – ja oder nein?
Die Forschung konnte also das Potential für Umsatzsteigerungen beweisen, aber musste dabei auch feststellen, dass die Preistaktik Einschränkungen hat (Macé, 2012). So können gebrochene Preise als unehrlich empfunden werden und bei Premiumanbietern zu Umsatzeinbrüchen führen. Kleine, preiswerte Marken hingegen können besonders stark profitieren. So werden Produkte aus niedrigpreisigen Kategorien mit 99ct-Preisen öfter verkauft und erhöhen sogar den Absatz der gesamten Kategorie. Eine Einschränkung dabei ist, dass die positiven Nachfrageeffekte etwas schwächer werden, sobald zu viele Wettbewerber innerhalb einer Kategorie die Taktik anwenden. Der Anteil, ab dem die Taktik zu oft angewandt wird, ist dabei von Kategorie zu Kategorie unterschiedlich, liegt aber meist über 60%. Weitere Einflussfaktoren auf die Effektrichtung sind in der untenstehenden Tabelle aufgeführt.
Gebrochene Preise im B2B
Unklar ist, ob die Preistaktik auch im B2B-Bereich zu erhöhter Nachfrage führen kann. Während es keine unmittelbare Forschung zu Schwellenpreisen im B2B-Bereich gibt, konnte festgestellt werden, dass analoge preispsychologische Effekte oft auch im B2B-Kontext bestehen. Speziell bei gebrochenen Preisen konnte gezeigt werden, dass die Nachfrageeffekte – zumindest bei Endkunden – auch bei stark involvierten, rationalen Kaufentscheidungen bestehen. Die Rationalität von Einkäufern allein kann also nicht den Unterschied machen (Larson, 2014). Obwohl analoge Erkenntnisse es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass Schwellenpreise auch im B2B-Kontext funktionieren, bleibt die Praxis vor allem im Einzel- und Onlinehandel verbreitet.
Fazit und Empfehlung
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Taktik der gebrochenen Preise bei richtiger Anwendung zu starken Nachfragesteigerungen führen kann. Für Endkunden stellen Schwellenpreise einen geeigneten und leicht umsetzbaren Anhaltspunkt zur Umsatzsteigerung dar – sogar dann, wenn die Preise erhöht werden. Besonders Produkte aus niedrigpreisigen Kategorien sowie Neueinführungen mit einem niedrigen Marktanteil können hiervon profitieren. Nicht ohne Grund sind Schwellenpreise also im Einzelhandel so weit verbreitet.
- C. Larson, A., L. Reicher, R. and William Johnsen, D. (2014), „Threshold effects in pricing of high-involvement services“, Journal of Product & Brand Management, Vol. 23 No. 2, pp. 121-130. https://doi.org/10.1108/JPBM-04-2013-0278
- Hamadi, T., & Strudthoff, M. (2016). Are behavioral pricing tactics also present in the B2B context?: Evidence from a complex chemical B2B product Journal of Business Chemistry.
- Macé, S. (2012). The Impact and Determinants of Nine-Ending Pricing in Grocery Retailing. In Journal of Retailing (Vol. 88, Issue 1, pp. 115–130). Elsevier BV. https://doi.org/10.1016/j.jretai.2011.07.002
- Ortega, A. M., & Tabares, F. A. (2023). Psychological pricing: Myth or reality? The impact of nine-ending prices on purchasing attitudes and brand revenue. In Journal of Retailing and Consumer Services (Vol. 71, p. 103206). Elsevier BV. https://doi.org/10.1016/j.jretconser.2022.103206
- Sokolova, T., Seenivasan, S., & Thomas, M. (2020). The Left-Digit Bias: When and Why Are Consumers Penny Wise and Pound Foolish? Journal of Marketing Research, 57(4), 771–788. https://doi.org/10.1177/0022243720932532