Vertrieb

2 Studien zeigen Potenziale von Neu- und Kleinkunden – wie Sie diese jetzt nutzen

Der größte Wachstumshebel für Unternehmen ist der Ausbau der Kundenbasis. Ein aktiver Vertrieb ist der Schlüssel, um Neukunden zu gewinnen. Auch die effiziente Betreuung von Klein- sowie die Entwicklung von Potenzialkunden sind zentrale Erfolgsfaktoren.

Wachstumshemmer Bestandskunden

Häufig konzentrieren sich Unternehmen fast ausschließlich auf die Betreuung von Großkunden. Das Rational dahinter ist die so oft postulierte Annahme, dass der Ausbau der Loyalität von großen Bestandskunden günstiger sei als die Neukundenakquise. Die Vertriebsprozesse der Unternehmen sind dadurch fast vollständig auf die intensive Bestandskundenbetreuung ausgerichtet.

Die Folge ist ein reaktiver Vertrieb. Bei ambitionierten Wachstumszielen stoßen Unternehmen mit diesem Vertriebsansatz jedoch häufig an ihre Grenzen, denn ein weiterer Ausbau des Geschäfts mit Bestandskunden ist nur schwer realisierbar: Durch Preisdruck und volatile Marktsituationen motiviert, verlagern immer mehr Bestandskunden sogar Auftragsvolumen zum Wettbewerb. Empirisch ist zu beobachten, dass die Loyalität von Bestandskunden nahezu linear dem Marktanteil des jeweiligen verkaufenden Unternehmens folgt.1 Dem Ausbau der Loyalität sind also natürliche Grenzen gesetzt. Das Problem sind jedoch nicht die Bestandskunden an sich, sondern die hausgemachte Einschränkung im Vertriebsansatz.

Fehlende Prozesse für Klein- und Neukundenakquise

Durch den Fokus der Vertriebsorganisation auf Großkunden fehlen effiziente Prozesse für die Betreuung von Kleinkunden bzw. für die Neukundenakquise.

  • Kleinkunden durchlaufen in der Betreuung dieselben – häufig manuellen und damit aufwendigen – Prozesse von Großkunden. Dadurch wird die Betreuung unattraktiv und es entsteht ein analytischer Zirkelschluss: Kleinkundenbetreuung lohnt sich nicht.
  • Für die Neukundenakquise fehlt es an einer zielgerichteten Identifikation von potenziellen Kunden sowie an den Kompetenzen, jene potenziellen Leads auch zu akquirieren.

Wie relevant und erfolgsversprechend allerdings ein Ausbau der Klein- und Neukundenbasis ist, zeigt ein Blick auf die aktuell am stärksten wachsenden deutschen Unternehmen. Sie haben einen besonderen Fokus auf die Entwicklung von Klein- und Neukunden gelegt. Dies zeigt, dass diese Unternehmen selbst in der Corona-Krise wachsen konnten, während die reaktive Konkurrenz damit beschäftigt war, Umsatzverluste einzudämmen.2 Für reaktive Unternehmen bedarf es damit also eines grundsätzlichen Wandels im Vertriebsansatz.

Neukunden – ein Schlüssel zum Wachstum

Wie also können reaktive Unternehmen einen Wachstumskurs einschlagen und einen aktiven Vertrieb fördern? An erster Stelle steht der Ausbau der Kundenbasis. Eine systematische Neukundenakquise bedeutet für viele Unternehmen jedoch das Verlassen der jahrelangen Komfortzone. Der reaktiven Vertriebsorganisation mangelt es an Prozessen, Methoden, Kompetenzen und vor allem an der nötigen unternehmerischen Grundeinstellung, die für die Gewinnung von Neukunden von Nöten ist.

Um Neukundenakquise effizient zu betreiben, sollten Vertriebsressourcen gezielt eingesetzt werden. Ziel dabei sollte es also sein, Leads mit hohen Potenzialen zu identifizieren und effizient im Sales Funnel zu betreuen. Die Identifikation von potenzialstarken Leads sollte dabei automatisiert erfolgen, sodass eine Vorselektierung für die Vertriebsmitarbeitenden vorgenommen wird. So werden Ressourcen geschont und können stattdessen gezielt für die Qualifizierung der vorselektierten Leads und die persönliche Betreuung derer eingesetzt werden. Die zur Identifikation notwendige Potenzialschätzung kann anhand von Kundenstammdaten und den Aufträgen der Bestandskunden vorgenommen werden. Zunächst werden die nötigen Stammdaten identifiziert. Diese sind beispielsweise:

  • die Branchen der Kunden
  • die Anzahl der Mitarbeitenden
  • die Anzahl der Standorte
  • der Kundenumsatz

Unter Umständen müssen die bereits vorhanden Kundenstammdaten über Datenbanken, die bspw. von Wirtschaftsauskunftsdateien angeboten werden, angereichert werden. Für alle Unternehmen in der angereicherten Datenbank kann dann über Größenklassen und Referenzkunden aus dem eigenen Kundenstamm eine Potenzialbestimmung vorgenommen werden. Mit diesem automatisierten Verfahren können so bisherige Nicht-Kunden identifiziert werden, die den umsatzstarken Kunden aus der eigenen Kundenbasis ähneln und damit voraussichtlich ähnlich hohe Bedarfe haben.

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Abb. 1: Potenzialbestimmung

Darüber hinaus sollten im Vertrieb spezifische Prozesse für die Neukundenakquise sowie Vertriebsmaterialien wie Battle-Cards, Golden Questions und Pitch-Decks zur Verfügung gestellt werden, sodass Neukunden vom Vertrieb effektiv angesprochen werden können. Ein Weg kann hier auch der Einsatz von Hybrid Selling – also der Verbindung von digitalem Vertrieb und persönlicher Vor-Ort-Betreuung – sein, sodass früh auch weitere Abteilungen wie der Innendienst in den aktiven Vertrieb mit einbezogen werden können. Um die Neukundenakquise erfolgreich umzusetzen und Wandel voranzutreiben, kann zudem ein Teil der variablen Vergütung der Vertriebsmitarbeitenden auf den Ausbau des Kundenstamms ausgerichtet werden.

Kleinkunden – die verborgenen Schätze

Neben der Neukundenakquise ist die effiziente Betreuung von Kleinkunden der zweite große Wachstumshebel. Viele Unternehmen sehen in Kleinkunden ein aufwendiges Übel, welches Vertriebsressourcen blockiert. Dabei wird die Umsatzbedeutung der Kleinkunden vernachlässigt. Eine Vielzahl der Kunden tätigen nur wenige Käufe, jedoch ist die kumulierte Bedeutung dieser Käufe immens.

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Abb. 2: Anzahl der Käufe pro Kunde – Projektbeispiel

Bei Kleinkunden muss grundsätzlich zwischen zwei Arten unterschieden werden:

a) tatsächlich kleine Kunden, d. h. Kunden mit geringem Bedarf

b) Kunden mit bisher geringen Umsätzen aber einem theoretisch hohen Bedarf, der noch nicht gedeckt wurde

Wie bei Neukunden geht es also auch bei Kleinkunden zunächst darum, eine Potenzialschätzung vorzunehmen, um „wirklich“ kleine Kunden von potenzialstarken Kleinkunden zu unterscheiden. Die Kunden mit hohem Potenzial sollten, ähnlich wie in der Neukundenakquise, aktiv durch den Vertrieb angegangen und entwickelt werden.

Den Kunden mit tatsächlich nur geringem Bedarf sollten hingegen effiziente und standardisierte Vertriebswege und -prozesse zur Verfügung gestellt werden, um die kumuliert betrachtet signifikanten Umsätze effizient zu heben. Dazu ist in der Vertriebsorganisation auch Konsequenz nötig: Ein potenzialschwacher Kleinkunde kann nicht die gleiche persönliche Betreuung erhalten wie ein Großkunde. Um hier zielführend zu agieren, stellt die Digitalisierung und Standardisierung der Vertriebsprozesse eine sinnvolle Möglichkeit dar.

In einem Projekt mit einem Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau haben wir hierzu beispielweise folgende Maßnahmen definiert:

  • E-Commerce und Self-Service-Lösungen für Kunden, u. a. FAQ, Produkt-Erklärvideos und Chatbots
  • Angebot eines standardisierten respektive reduzierten Produktportfolios
  • Ausschluss gewisser Betreuungswege, insb. der telefonischen Hotline und der Vor-Ort Betreuung durch den Außendienst
  • Automatisierung von Angebotsnachverfolgung und Reklamation
  • Einführung von Mindestbestellwerten

Grundsätzlich sollte der gesamte Sales Funnel entlang der Customer Journey von Kleinkunden betrachtet und optimiert werden.

Effektivität und Effizienz im Sales Funnel

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es einer Überarbeitung des gesamten Sales Funnels zur zielgerichteten Neukundenakquise und effizienten Betreuung von Kleinkunden bedarf. Im Fokus steht dabei der Aufbau eines aktiven Vertriebs und die Standardisierung sowie Digitalisierung von Vertriebswegen.

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Abb. 3: Sales Funnel

 

Quellen

1 Sharp, Byron (2020): How brands grow. What marketers don’t know, Oxford University Press.

2 Wieseke, Jan / Schmitz, Christian (2020): Der Vertrieb in Zeiten von Corona und Rezession

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Oliver Roll von Roll & Pastuch
Autor

Prof. Dr. Oliver Roll

Managing Partner
R&P-Mitarbeiter Tim Güth
Autor

Tim Güth

Project Manager

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